Die 2004 gegründete Internationale Union muslimischer Gelehrter (IUMS) hat alle Muslime weltweit zum Dschihad gegen Israel aufgerufen. In einer »Fatwa« mit dem Titel »Die anhaltende Aggression gegen Gaza und die Aussetzung des Waffenstillstands« fordert der Verband in einem ersten Schritt unter anderem die vollständige internationale Isolierung Israels und die Bildung einer gemeinsamen islamischen Armee. Das »zionistische Gebilde«, so heißt es in dem Ende März veröffentlichten Text, führe eine »systematische Kampagne des Völkermords an unseren Brüdern und Schwestern in Gaza« durch.
Israel sei der Aggressor in diesem Konflikt. Der Westen, insbesondere die USA, versorge es »mit tödlichen Bomben und verheerenden Waffen«, während »die arabischen Regime beschämend schweigen und viele islamische Regierungen Verrat begehen«.
Als Fatwa werden Rechtsgutachten islamischer Gelehrter auf der Grundlage des Koran und der Scharia bezeichnet. Solche Auffassungen sind zwar nicht bindend, können aber doch gewalttätige Folgen haben.
So verfügte der iranische Revolutionsführer Ajatollah Ruhollah Chomeini 1989, wenige Monate vor seinem Tod, in einer Fatwa, dass der indisch-britische Autor Salman Rushdie und die Herausgeber seines Buches »Die satanischen Verse« die »heiligen Überzeugungen aller Muslime beleidigt« und dafür den Tod verdient hätten.
Nach Chomeinis Aufruf kam es weltweit zu Übergriffen. 1991 wurde der italienische Übersetzer des Rushdie-Buches in seiner Mailänder Wohnung niedergestochen, sein japanischer Übersetzer wurde ein Jahr später unter nach wie vor ungeklärten Umständen in Tokio ermordet. Auch Salman Rushdie selbst lebt seitdem unter Polizeischutz und war mehrfach das Ziel von Angriffen.
Auch die jetzt publizierte IUMS-Fatwa enthält Aufforderungen zur Gewalt. So findet sich in den 14 Einzelpunkten, die jeweils mit einer Koransure begründet werden, der Satz: »Aufbauend auf unseren vorherigen detaillierten Fatwas seit Beginn dieses völkermörderischen Krieges bekräftigen wir, dass es für alle Muslime und muslimischen Nationen verpflichtend ist, den Dschihad gegen die zionistische Entität und alle, die mit ihr im besetzten Land kollaborieren, zu führen – seien es Söldner oder Soldaten aus allen Nationen.«
Pflicht zum Dschihad
Der Dschihad, die militärische Intervention in Gaza und »die Versorgung der Mudschaheddin mit Waffen« sei für »jeden fähigen Muslim«, insbesondere aber die Palästinenser und die Nachbarstaaten Ägypten, Jordanien und Libanon, eine »bindende Pflicht«, so das Papier.
Unverzüglich sei ein gemeinsames Militärbündnis zu bilden, das »islamische Länder verteidigen und ihre Religion, ihr Leben, ihren Wohlstand, ihre Souveränität und ihre Ehre schützen« solle. Gaza »während seiner Vernichtung« im Stich zu lassen, sei »eine schwere Sünde« und ein »Verrat an Allah«, postulieren die islamischen Rechtsgelehrten.
Weiter heißt es: »Es ist strengstens verboten, den Feind bei der Auslöschung der Muslime in Gaza in irgendeiner Form zu unterstützen – militärisch, logistisch oder anderweitig. Dies beinhaltet das Verbot, Waffen zu verkaufen oder ihren Transport über internationale Korridore wie den Suezkanal, Bab al-Mandab, die Straße von Hormus oder auf dem Land-, See- oder Luftweg zu erleichtern. Der Ausschuss beschließt, dass zur Unterstützung des Gazastreifens eine vollständige Blockade – zu Land, in der Luft und auf dem Wasser – gegen die Besatzungsmacht verhängt werden muss.«
Nicht nur Waffenlieferungen, auch der Verkauf von Erdöl, Gas oder anderen Gütern an Israel müsse unterbunden werden, um die israelischen Kriegsanstrengungen zu schwächen. »Es ist auch verboten, Nahrung und Wasser zu liefern, während die Kinder in Gaza hungern. Wer dies aus Liebe zum zionistischen Feind und mit der Absicht tut, den Widerstand zu schwächen, ist ein Abtrünniger vom Islam, dessen Vormundschaft aufgehoben wird. Wenn dies aus Profitgier geschieht, ist es eine schwere Sünde und ein großer Verrat«, heißt es in dem Text.
Zur Begründung wird die folgende Koransure zitiert: »O ihr, die ihr glaubt, nehmt euch nicht die Juden und Christen zu Verbündeten. Sie sind untereinander Verbündete. Und wer von euch sich mit ihnen verbündet, der ist dann in der Tat einer von ihnen. Allah leitet das frevelnde Volk nicht recht.«
»Gefahr für die öffentliche Sicherheit«
Die Deutsch-Israelische Gesellschaft (DIG) kritisierte den IUMS-Aufruf scharf. Die Fatwa habe auch unmittelbare Auswirkungen auf die Sicherheitslage in Deutschland, erklärte der Verband in einer Pressemitteilung. Die IUMS habe zu mehr als tausend Moscheen in Deutschland eine Beziehung, so die DIG. Die Politik und insbesondere die Bundesregierung und die Länderregierungen müssten von den Islamverbänden in Deutschland einfordern, die Fatwa als »unislamisch« zurückzuweisen und öffentlichkeitswirksam zu verurteilen.
Organisation, die dies nicht täten, stellten eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit dar, erklärte die DIG. »Solche Vereinigungen richten sich mit ihrer Verweigerung unmittelbar gegen den Gedanken der Völkerverständigung (Artikel 9 Absatz 2 Grundgesetz)«, so der vom ehemaligen Bundestagsabgeordneten Volker Beck geführte Verein.
Der frühere Grünen-Politiker Ralf Fücks warnte auf X, den Aufruf der IUMS ernst zu nehmen: »Leute, das ist keine religiöse Folklore. Diese Fatwa ist Anstiftung zu Terroranschlägen gegen Israel und israelische Einrichtungen im Ausland.« Jüdisches Leben in Deutschland sei dadurch noch stärker bedroht, so Fücks.
Die IUMS ist auch in der muslimischen Welt umstritten. 2014 wurde der Verband von den Vereinigten Arabischen Emiraten wegen angeblicher Verbindungen zur Muslimbruderschaft, aus der auch die Hamas hervorgegangen war, als terroristische Organisation eingestuft. Die Vereinigung wies diesen Schritt als falsch und politisch motiviert zurück.
Bis zu seinem Tod 2022 wurde der Verband von Katar aus von dem in der muslimischen Welt bekannten »Fernsehprediger« Yusuf Al-Qaradawi geführt. Heute führt der kurdischstämmige Scharia-Experte Ali Mohieddin al-Qaradaghi die Internationale Union Muslimischer Gelehrter.